Zum Inhalt springen
Symbolbild für den hochsensiblen High-Sensation-Seeker. Hochsensibilität in ihren Facetten.

Du bist hochsensibel, doch irgendwie passt du nicht so richtig ins Konzept. Zwar hast du einerseits deine unglaublich sensible Seite – du brauchst den Rückzug, die ruhigen Tage, doch auf der anderen Seite kannst du kaum genug vom Leben bekommen.

Vielleicht bist du ein hochsensibler High-Sensation-Seeker (HSS).

Hochsensible High-Sensation-Seeker sind extrem. Extrem widersprüchlich. Einerseits vereinen sie die typischen Eigenschaften hochsensibler Menschen, wie das starke Schutz- und Ruhebedürfnis, doch gleichzeitig bringen sie einen extremen Hunger nach neuen Erlebnissen und Erkenntnissen mit. Sie stehen ständig in Konflikt mit ihren Bedürfnissen – der eine Fuß auf der Bremse, der andere auf dem Gaspedal. Zwar leiden sie nicht selten an der für ihr hochsensibles Gemüt „Überdosis“ der Erfahrungen, doch holen sie sich ständig Nachschlag. Sie sind die Grenzgänger, immer versucht die Balance zwischen Übererregung und der Befriedigung ihres Reizhungers zu finden.

HSS ist angeboren

High-Sensation-Seeking ist angeboren, wie auch das Naturell der Hochsensibilität. Beides kann kombiniert vorkommen, muss aber nicht. Dabei sind folgende Kombinationen denkbar:

 

Ob du ein High-Sensation-Seeker bist, findest du am besten heraus, in dem du dich eingehend reflektierst und mit anderen Menschen austauschst, die sich mit dem Thema HSS auskennen. Einen kurzen Test zur Selbsteinschätzung kannst du auf der Website von Elaine Aron absolvieren, den ich dir hier verlinke (leider nur in englischer Sprache) *Klick*. 

High-Sensation-Seeking = Bungeejumping und Downhill-Biking ?

In erster Linie beschreibt High-Sensation-Seeking einen starken Reizhunger. Dieser kann durch Extremsportarten befriedigt werden, was sich auch in der Kombination HS+HSS im Vergleich zu der Kombination NHS+HSS allerdings mit einem erhöhten Sicherheitsbewusstsein zeigt.

 

HSS beschreibt einen starken Reizhunger. Das muss sich aber nicht unbedingt in der Neigung zu Extremsportarten zeigen.

High-Sensation-Seeking und die Rolle der Intro- und Extraversion

High-Sensation-Seeker können sozial introvertiert, extravertiert oder ambivertiert sein (sowohl introvertiert, als auch extravertiert). Um genau zu definieren, worüber wir hierbei sprechen, müssen wir uns die Ursprünge der Begriffe nach dem Schweizer Psychiater und Begründer der analytischen Psychologie Carl Gustav Jung anschauen. Ursprünglich beschrieben die Begriffe, ob sich jemand zu einem Objekt hinbewegt (Extraversion) oder sich vor ihm zurückzieht (Introversion). In dem Sinne sind High-Sensation-Seeker sowohl extrem introvertiert, als auch extrem extravertiert. Sie haben gleichzeitig das Bedürfnis, die Reize erst einmal aus der Ferne zu betrachten, sich eher im Rückzug vor ihnen zu befinden (hier überschneidet sich die Hochsensibilität mit dem ursprünglichen Begriff der Introversion), doch gleichzeitig fühlen sie sich davon enorm angezogen und wollen geradezu mit dem Objekt verschmelzen (Extraversion).

Doch heute sprechen wir nur noch über die Intro- und Extraversion, wie sie sich im sozialen Kontext zeigen. Der Introvertierte, der sich im ständigen Rückzug vor seiner sozialen Umwelt befindet, Gespräche meidet und meist nur sehr wenige Freunde hat. Und der Extravertierte, der gerne mit seinen Mitmenschen interagiert und dies, im Gegensatz zum Introvertierten, auch noch als energiespendend empfindet.

Die soziale Intro- oder Extraversion beschreibt heutzutage in erster Linie eine angelernte Verhaltensweise, um mit sozialen Situationen umzugehen. Für die einen kann eine soziale Situation schnell überfordernd wirken, dem anderen macht sie nichts aus oder er kann sie regelrecht genießen. Dies hängt mit vielen Faktoren zusammen: Unter welchen Umständen jemand aufgewachsen ist, wie passend er das aktuelle Umfeld erlebt, ob er mit sich selbst im Reinen oder von Selbstzweifeln geplagt ist, ob er ausgeglichen ist oder unter (chronischem) Stress steht, usw.

Das High-Sensation-Seeking beleuchtet nach dem ürsprünglichen Wortbegriff also tatsächlich eine Gratwanderung zwischen extremer Intro- und Extraversion. Auf den sozialen Kontext kann ein High-Sensation-Seeker allerdings introvertiert, extravertiert oder auch ambivertiert sein.

High-Sensation-Seeker sind Sicherheitsexperten!

Man kann High-Sensation-Seeker unter anderem daran erkennen, dass sie immer wieder neue Erfahrungen suchen, sich dabei aber immer einen Plan bereithalten, wie sie aus der Situation schnell wieder herauskommen. Sie machen nicht einfach – im Unterschied zum nicht-hochsensiblen High-Sensation-Seeker, sondern handeln trotz ihres Drangs, etwas neues zu erleben, bedacht. Die nächste Fernreise beginnt mit dem Lesen der Reisehinweise des Auswärtigen Amts. Vor der ersten Bergtour wird eingehend besprochen, was alles schief gehen kann und was in diesem Fall am besten gemacht wird. Damit man auf alle Eventualitäten eingestellt ist. Der erste Gang in die 100°C-Sauna verlangt eine Einschätzung der Fluchtwege mit der Berechnung, wie viele Saunabesucher in welcher Zeit durch die kleine Tür kommen und welches der günstigste Platz ist, um nicht in das Gedänge zu geraten. Außerdem: wo befindet sich der Sicherheitsknopf? 

 

HSS sind oft Sicherheitsexperten

Vor dem Gang in den Technoclub wird gecheckt, wann und wie man heil wieder nach Hause kommt. Die Ohropax liegen bereit und auch hier zeigen sich wieder 1a-Kenntnisse aller Fluchtwege.

Grenzerfahrungen jeglicher Art

High-Sensation-Seeker können ihren Reizhunger auch durch außergewöhnliche innere Grenzerfahrungen ausleben. Das, was sie machen, machen sie extrem intensiv: Spirituelle Übungen, lebhafte Träume, teilweise auch das Experimentieren mit bewusstseinserweiternden Substanzen (auch hier im Vergleich zu NHS+HSS mit einem erhöhten Sicherheitsbewusstsein), die tiefe Analyse der Erlebnisse, häufig aber auch das Erlangen von Expertenwissen in einem oder in mehreren, oft sehr unterschiedlichen Gebieten – Hauptsache sie können etwas Neues lernen! Auch hier sehen wir bei den Betroffenen wieder die Gratwanderung – zu gerne gehen sie ein Stückchen zu weit, überfordern sich und ihr Weltbild, haben oft das Gefühl, sich bremsen zu müssen. Nicht selten gehen sie dabei sogar einen Hauch (oder auch mehr) zu weit und müssen sich erst einmal wieder von ihren Erfahrungen regenerieren.

Auf der anderen Seite leben sich viele High-Sensation-Seeker gerne durch intensives soziales Miteinander aus. In der einen Woche sind sie quirlig, gesprächig, können sich für alles und jeden begeistern und lernen gerne neue Leute kennen. In der nächsten Woche sind sie hingegen abgetaucht und für niemanden erreichbar.

 

Auch die Beschäftigung mit den “inneren Welten” kann eine Grenzerfahrung sein.

Wenn die Grenze überschritten ist

Der hochsensible High-Sensation-Seeker vereint in sich im Grunde zwei Gegensätze. Kann eine Seite nicht ausgelebt werden, wird er unglücklich. Durch diese beiden schwer vereinbaren Eigenarten hat er es jedoch alles andere als leicht: seine Bedürfnisse ziehen und zerren an ihm. So kommt schnell ein Gefühl der inneren Zerrissenheit hoch. 

Versucht der High-Sensation-Seeker allerdings, nur eine der Seiten auszuleben, wird er zwangsweise scheitern. Lebt er zu zurückhaltend, schwindet ihm die Lebensenergie. Lebt er zu sehr sein High-Sensation-Seeking aus, fühlt er sich schnell erschöpft und maßlos überfordert. 

HSS sind anders. Sehr anders.

Die Verhaltensweisen von hochsensiblen High-Sensation-Seekern wirken auf viele Menschen höchst befremdlich und verwirrend. Nicht selten haben Betroffene damit zu kämpfen, dass ihnen Störungen angedichtet werden, obwohl ihr angeborenes Temperament für ihr Naturell „ganz normal“ ist.

High-Sensation-Seeking ist eine Gabe, die mit einer extremen Leistungsfähigkeit einhergeht. Lernt der Betroffene den richtigen Umgang mit seiner Art, kann sie ein enormes Geschenk sein.

 

Andere Menschen haben oft Schwierigkeiten, die Widersprüchlichkeit von HSS einzuordnen. Dabei sind sie nicht krank, sie tragen auch keine Maske. Sie sind schlicht und ergreifend so. Und das ist auch gut so 😉

An erster Stelle steht die Akzeptanz

Du findest dich in den Beschreibungen zum High-Sensation-Seeker wieder und fragst dich, wie du am besten mit deiner Eigenart umgehen kannst? Wie immer steht an erster Stelle die Akzeptanz, dass du so bist, wie du bist. Wenn du die Extreme brauchst, um dein Leben als lebendig wahrzunehmen, dann ist das komplett in Ordnung – völlig egal, was andere dazu sagen. 

Wie genau du die Feinabstimmung für dein Leben vornimmst, ist individuell unterschiedlich. Erfahrungsgemäß wird es dich nicht glücklich machen, dich selbst “normal” machen zu wollen. Vielleicht kommt dir das Leben dann zu fad vor, als wäre die Sättigung aus allem herausgenommen. 

Falls du momentan unter deiner Eigenart leidest, lohnt es sich einmal genauer hinzuschauen. Man kann die angeborene Tendenz zum High-Sensation-Seeking nicht “wegtherapieren” (das wollen wir auch gar nicht), aber du kannst lernen, wie du bewusst damit umgehen kannst. So nimmst du dein Leben in deine eigenen Hände. 

Ich wünsche dir dabei alles Gute!

Du möchtest, dass ich dich auf deinem Weg unterstütze? Schreibe mir gerne eine E-Mail an info@lisamariediel.de

Ich freue mich auf dich!

Literatur: Aron, Elaine: “Hochsensible Menschen in der Psychotherapie”, Junfermann, Paderborn 2014

Literaturverzeichnis